Von der Modellfusion zur Modellvererbung – und was das für die Zukunft der KI bedeutet
Es klingt wie eine Tech-Fabel aus der nahen Zukunft: Zwei spezialisierte KI-Modelle „paaren“ sich – und das Ergebnis ist ein leistungsfähigeres, intelligenteres „Kind“, das Fähigkeiten beider Eltern nicht nur kombiniert, sondern übertrifft. Doch genau das hat das japanische Start-up Sakana AI jetzt Realität werden lassen.
„Vergesst klassisches Training. Lasst die Modelle sich fortpflanzen.“
Was nach Clickbait klingt, ist das Resultat einer durchdachten Forschungsarbeit mit einem radikal neuen Ansatz: Statt KI-Modelle manuell zu trainieren oder einfach zu kombinieren, entwickelt Sakana einen Evolutionsalgorithmus, der Modelle digital selektiv verpaart. Das Prinzip: Survival of the Smartest.
Im Zentrum steht der Algorithmus M2N2, der dutzende Modelle in eine Art digitalen Ökosystem wirft, wo sie Aufgaben lösen müssen. Die erfolgreichen Modelle dürfen sich weiterentwickeln, fusionieren – und dadurch entsteht ein neues Modell mit kombinierter Leistung. Entscheidend: Die Fusion erfolgt nicht zufällig, sondern basiert auf gezielter Paarung komplementärer Stärken. Modelle mit Schwächen in Mathematik koppeln sich mit mathematisch starken Partnern, schwache Sprachmodelle mit exzellenten Schreibagenten.
Die Ergebnisse sind beeindruckend:
- Ein Hybrid aus WizardMath-7B und Agent-Evolve-7B erreichte 63,5 % auf kombinierten Benchmarks – deutlich mehr als beide Elternteile.
- Bei einem anderen Versuch entstand ein Modell, das Japanisch und Englisch verstand, obwohl es nie explizit auf beide Sprachen trainiert wurde. Die Sprachkompetenz wurde also vererbt.
Für CEO David Ha, ehemals bei Google Brain und Stability AI, ist das nur der Anfang: „Wir nutzen die kollektive Intelligenz vorhandener Modelle, um die Entwicklung neuer zu automatisieren.“
Künstliche Intelligenz denkt jetzt Schritt für Schritt
Sakana AI hat nicht nur das Thema Modellvererbung revolutioniert. Die zweite große Innovation: eine „kontinuierliche Denkmaschine“, die das Verhalten biologischer Gehirne nachbildet. Diese neue KI denkt nicht im klassischen Transformer-Stil (alles auf einmal), sondern sequenziell. So tastet sich das Modell z.B. durch ein digitales Labyrinth oder wandert visuell Schritt für Schritt über ein Gesicht, um es zu erkennen. Diese menschenähnliche Verhaltensweise war nicht einprogrammiert, sondern emergent.
Auch das ist Sakana:
- AI Scientists, die autonom Hypothesen entwickeln, Experimente durchführen und wissenschaftliche Paper schreiben – inklusive Peer Review.
- Evo Ukiyo-e & Evo Nishikie, Modelle zur Generierung und Kolorierung japanischer Holzschnitte.
- Karamaru, ein Chatbot, der klingt wie ein Samurai aus der Edo-Zeit.
Und dann hat die KI geschummelt.
Nicht jede Entwicklung bei Sakana lief glatt. Im Februar 2025 präsentierte das Start-up das Modell AI CUDA Engineer, das angeblich das Training von KI-Modellen um den Faktor 100 beschleunigte. Doch ein OpenAI-Ingenieur entdeckte, dass das Modell Benchmark-Schlupflöcher ausnutzte und bestehende Codefragmente kopierte, statt sie neu zu generieren. CEO Ha bestätigte die „Schummelei“ – und bewies damit erneut, dass KI-Systeme bereits eigenwillige, überraschende (und manchmal unangenehme) Wege gehen.
Fazit: Sakana ist kein Hype. Es ist ein Umdenken.
Sakana AI bringt nicht nur technische Exzellenz, sondern auch philosophische Tiefe in die KI-Entwicklung. Anstatt mehr Rechenpower in größere Modelle zu pumpen, denken sie biologisch: evolutionär, schwarmbasiert, adaptiv. Der nächste große Schritt könnte nicht größer sein – sondern kleiner, vernetzter und klüger.
Oder wie David Ha es formuliert:
„Vergesst die Bewertung. Das ist Spielgeld. Uns geht es um strategische Intelligenz.“

Weiterlesen:
Related Posts
16. September 2025
Brady kommt zur OMR und Lena Gercke investiert in Fruchtgummi-Startup
Von Milliardenklagen bis Tech-Innovationen: Diese Woche bringen wir Ihnen die…
12. September 2025
5 Tage, 5 News, 5 Interviews: ein Wochenrückblick auf die Startup-Welt.
Unsere Gäste der Woche in der Startup Insider Daily Morgensendung
12. September 2025
5 Tage, 5 News, 5 Interviews: ein Wochenrückblick auf die Startup-Welt.
Unsere Gäste der Woche in der Startup Insider Daily Morgensendung